Sie sind vermutlich noch nicht im Forum angemeldet - Klicken Sie hier um sich kostenlos anzumelden Impressum 


Sie können sich hier anmelden
Dieses Thema hat 1 Antworten
und wurde 3.803 mal aufgerufen
 Prog-"Allgemein"
HevyDevy Offline

Big Buffalo



Beiträge: 313

13.06.2007 13:06
Der Prog und die BBS Antworten

Eigentlich nur ein Review (ok, mehr ein Statement) zur jüngsten Tangent-Veröffentlichung. Allerdings bringt es meiner Meinung nach genau diejenigen Entwicklungen auf den Punkt, welche mich mehr und mehr von den, sagen wir mal, weniger obskuren Spielarten des "modernen Progs", abringen. Ich stelle das jetzt einfach so in den Raum und bin gespannt auf Reaktionen.


In Antwort auf:

Warum ich oben nichts zur Musik geschrieben habe, hat nichts mit Ignor- oder Arroganz zu tun, es sollte die Kenner des Tangent-Œvres erstmal zum Schmunzeln anregen. Außerdem: Zum einen hatte Thomas bereits vieles Notwendige zur Musik gesagt, zum Zweiten lese ich immer so gern die Coverbeschreibungsrezensionen in den deutschen Progmagazinen und wollte endlich auch mal eine schreiben - zwinker - und zu guter letzt enthält das Album schlicht und einfach genau dieselbe Musik wie alle anderen Tangent-Alben, so daß ich es allenfalls für lohnenswert hielt, auf die wirklichen Unterschiede zwischen diesen Veröffentlichungen aufmerksam zu machen, und die liegen nun mal im Bereich der Covergestaltung.

Was mir sauer aufstieß, viel saurer als die marktgeschmeidig auf Stromlinie gebrachte Musik oder das blöde klischeehafte Cover, sind Andy Tillisons Bemerkungen über sich, seine Musik und ihre Hörer, die offensichtlich nur noch als Käufer interessant sind. Weshalb er ihnen folgenden, bereits zitierten Text ins Gesicht schreibt:

„On the previous Tangent albums we have conscientiously tried to make progressive music that should satisfy those who enjoyed the genre during ist heyday. We’ve observed rules and conventions, and used stylistic references all over the place. Indeed, the same is true here, too. [...]. Nowadays if we veer too far away from the original blueprint, it’s as though we’re somehow going „off topic“.“

Meiner Meinung nach - und man kann diese Sätze, wie oben nachzulesen ist, auch anders verstehen - erklärt er das Album damit für irrelevant, indem er ihm den Status eines eigenständigen musikalischen Statements abspricht, und es im Gegenteil als ein „conscientiously“ stromlinienförmig auf den Markt zugeschnittenes Produkt abseits jeglicher eigener Kreativität beschreibt, nur darauf ausgerichtet, to „satisfy those who enjoyed the genre during ist heyday“. Wenn es nur noch um Satisfaction geht, und nicht um künstlerischen Ausdruck, sehe ich - von der Qualität der Musik mal abgesehen - keinen Unterschied mehr zu gecasteten Popoboybands. Tangent haben, so Tillison, nicht komponiert, sie haben „rules and conventions“ befolgt, die angeblich Yes und Co. (dadurch, daß sie sich einen Dreck um rules and conventions geschert haben) mal aufgestellt haben. Wenn Tillison - ganz marktwirtschaftlich - sich selbst seines künstlerischen Freiraums beraubt, sei ihm das zugestanden, aber mich als williges Käufervieh abstempeln zu lassen, dem man nur nach bestimmten Rezepten seinen Fraß anzurühren braucht, dafür bin ich mir dann doch zu schade. Das Wort „Zielgruppe“ ist ein Etikett einer Vermassung geworden, für die ich mich nicht vereinnahmen lassen will - schon gar nicht von jemandem, der aussieht wie ein Hippie - und sollte dringend mal zum Unwort des Jahres gewählt werden.

Ich hatte bei einem Konzert davon überzeugen lassen, daß Tangent doch keine Retortenband sei, sie hatten Power und waren echt überzeugend. Nachdem ich Tillisons Ausführungen im neuen Booklet gelesen habe, weiß ich, daß ich mich heftig geirrt habe. Ehrlich gesagt, ich schäme mich dafür, das nicht früher in derselben Deutlichkeit bemerkt zu haben, in der Tillison diese Geringschätzung seiner selbst und seiner Fans formuliert hat.

Das Album ist also in meinen Augen mangels künstlerischen Ausdrucks das Gegenteil von Kreativität, und damit eigentlich das Gegenteil von dem, was Musik als Kunst ausmachen sollte, damit wiederum das Gegenteil von dem, was dem Anspruch des anspruchsvollen Hörers genügen sollte. Soweit meine Meinung. Ganz folgerichtig entspann sich in der letzten Woche eine sehr interessante, kontroverse und kollegiale Diskussion unter den BBS-Rezensenten, die auch schon in einigen der obigen Rezensionen durchschimmert, und deren wichtigste Argumente ich Euch nicht vorenthalten möchte:

Ein wichtiger Einwurf gegen meine Lesart lautete: „Könnte Tillisons Aussage auch englischer Humor sein?“ Wohl nicht. Der Text ist in ein so ehrlich gemeintes Bekenntnis zu „Tales from topographic Oceans“ und dem ganzen klassischen Prog eingebunden, daß es zuweilen sogar eine Spur pathetisch ist, schwarzer Humor klänge anders.

Ein weiterer Einwand gegen meine Interpretation der Tillisonschen Bemerkungen lautete: „Halte dies für eine grundehrliche Aussage und würde das nicht als eine Art von künstlerischer Bankrotterklärung ansehen. Tillison ist wenigstens ehrlich und gibt unverblümt zu, nach welchem Grundmuster die Retroprogschiene zu laufen hat.“ Klar, schön, wenn jemand in diesem Punkt mal ehrlich ist, ich kann die Interviews mit Jon Anderson zur Veröffentlichung neuer Yes-Platten schon lange nicht mehr ertragen, aber ist es nicht umso schlimmer, wenn Tillison in diesem Punkt auch noch ehrlich ist? Ich denke, dahinter steht die derzeit ohnehin aktuelle Glaubensfrage, ob man bestimmte Aussagen als pragmatisch oder als zynisch einstuft. Ein anderer Kollege hat dann darauf hingewiesen, daß mit der gleichen Art von Ehrlichkeit oft genug vorgetragen werde, man wolle „die Leute nur unterhalten“: „Das ist keine Ehrlichkeit, sondern die vorweggenommene Abwehr berechtigter Kritik. Armselig.“ Andererseits wurde der Eklektizismus und das hohe Bewußtsein desselben bei allen Beteiligten auch als charmant empfunden - da würde ich dann mitgehen, wenn das Ganze in einer ernstgemeinten Verzweiflung des Künstlers angesichts der Unmöglickeit, Neues zu schaffen, mündete, oder ironisch gemeint wäre, so kann ich nur der Mehrheit der Diskutanden zustimmen: meist resultiert es in Langeweile.

Einige haben dann auch darauf hingewiesen, daß eine Platte eben nicht der Ausdruck eines Einzelnen ist, sondern eben auch eine Plattenfirma hinter dem Projekt steht. Nun ist InsideOut ein respektables Label, aber es bestand doch Konsens darin, daß es so etwas wie InsideOut-Musik gibt, (ein Kollege nannte das den „SB/Morse/FK/Stolt-Eintopf“), ganz nach dem Motto von Miss Sophie. Das verbindende Element in der Musik dieser Bands sei ihr Wiedererkennungswert. Nur: Das reine Wiedererkennen von etwas mache ja noch lange keine Qualität aus. Es ist interessant, daß aber gerade der Bereich kommerzieller Kunst über den Faktor Wiedererkennungswert funktioniert: Der Zielgrupp stammt aus den 70ern und möchte natürlich mehr von dem, was er bereits mag, also von dem, was er kennt. Das ist bei uns nicht anders: Die ganze Rhetorik um die ach so anspruchsvolle Musik: geschenkt! Wer erträgt es denn schon, jeden Tag das absolut Neue zu hören? Wie schnell kann man sich schon weiterentwickeln! Aber liege es dann nicht an uns Fans selbst, daß immer mehr solcher Platten produziert werden? Die Antworten auf diese Frage machten fast den Löwenanteil unserer Diskussion aus: der New Artrock biete eben keinen Ersatz für das, was wir am herkömmlichen Prog so lieben. Oder: letztlich liege es an den alten Hasen, die durch die Abkehr vom Pop und die Rückkehr zu ihren Wurzeln den Retroprog überflüssig machen könnten. Da Yes und Co. aber nur noch maximal Mittelmäßiges produzierten, würden eben solche Bands wie Tangent auf den Plan gerufen. Wichtig erscheint mir auch der folgende Gedanke: „Schuld daran ist auch das Wort,Prog' an sich: Wann immer jemand sich als,Progfan' outet, hat er damit - egal wie bewusst er's tut - den Begriff über den Inspirationsgehalt der Musik gestellt, und schon wird mehr über ein Wort gesprochen und nachgedacht als über den musikalischen Kern.” Daß mit dem Wort eine Marke existiert, mit der man - das wird von allen zugestanden - Geld verdienen kann und soll, ist unausweichlich. Allerdings wurde auch angemerkt, daß die vielen Supergroups, die den - absolut gerechtfertigten - Wunsch nach mehr von demselben beliefern, auch nicht mehr die Qualität produzieren, wie das vor Jahren mal der Fall war - dafür gebe es einfach zuviele - vielmehr sei die von vielen dieser Bands produzierte Musik leblos und uninspiriert (das Eingeständnis desselben lese ich auch aus Tillisons Bemerkungen heraus). Einig waren wir uns darin, daß Off-Topic-Parts (von denen der Eine mehr hört als der Andere) die eigentlich interesanten sind. Hier wurden Spock’s Beard mal als perfektes Beispiel, mal als lobenswerte Ausnahme genannt.

Noch ein persönliches Wort: es ist eine Sache, ein Pavlovscher Hund zu sein, weil man den Retroprog kauft - ich mache das auch, und trage deswegen weder Bart noch Perücke dabei - aber es ist eine andere, von Tillison mit der Nase draufgestoßen zu werden. Das möchte ich doch lieber selbst machen.

Um dabei nicht mißverstanden zu werden: „Queue“ ist auch meiner Meinung nach das beste Tangent-Album bisher. Aber es ist auch, und das wird niemand bestreiten, am wenigsten offensichtlich Herr Tillison, eine Eintopfplatte. Deshalb besteht auch kein Widerspruch zwischen meinem Eindruck, die beste Tangent-Platte vor mir zu haben und dem Gefühl, von Tillison beleidigt zu sein, umso klarer ist vielmehr der Zusammenhang zwischen beidem: Würde ich nicht bemerken, wie gut das Zusammenrühren von Vorgefertigtem funktioniert, wäre ich ein schlechter Rezensent, wäre ich durch ebendiese Absage an jegliche künstlerische Integrität aber nicht befremdet, ein schlechtes Publikum. Beides setzt den gleichen Standpunkt voraus, also kein Widerspruch. Ich habe ja sogar das Recht, richtig schlechte Platten zu mögen! Daß „Queue“ mir gefällt, ist nun wirklich nicht ihr Verdienst, mein Geschmack ist immer noch subjektiv. Genau das scheint mir aber Tillison nicht zugestehen zu wollen.

Ein versöhnlicher Gedanke zum Schluß: Einige haben mit Recht darauf hingewiesen, daß es neben dem Retroprog viele Subgenres gibt, in denen sich in den letzten Jahren so einiges getan hat, was mit Fug als „progressiv” bezeichnet werden kann. Niemand sei gezwungen, sich auf Retro zu beschränken, und gerade abseits davon, allerdings auch nur abseits davon habe sich der Prog als erneuerungsfähig bewiesen.

---------------------
J’ai l’horizon dans le regard et l’espoir dans le cœur
La tête pleine de musique, alors j’attends mon heure

Jogi Offline

Administrator



Beiträge: 5.582

13.06.2007 21:41
#2 RE: Der Prog und die BBS Antworten
Jetzt habe ich bei den BBS erst einmal gesucht, da im Bälde etwas Neues raus kommt. Aber das ist ja schon von 2006 . Steht bei den Rezis zu "A Place In The Queue".

http://www.babyblaue-seiten.de/index.php...&content=review

Ich hatte schon gedacht, dass es etwas ernstes ist. Wo sieht der gute Nils jetzt das Problem und warum ziehst Du da Deine Schlüsse draus? Klingt mehr als eine Art von Entschuldigung, dass er nichts über die Musik, sondern fast ausschließlich über das nette, grüne Cover geschrieben hat



Gruß Jogi

Ein Tribute to Phil Lynott and his Band THIN LIZZY!
http://www.myspace.com/rosalielynotttribute

Hinter den Kulissen:
Jogi@myspace.com
Jogis Rockfabrik

«« TOOL Fan ?
 Sprung  
Online seit 27.07.05

Diskutiert mit uns in diesem Forum über Progressive Rock, Progressive Metal, Artrock, Krautrock, Stoner- und Psychedelic-Rock, Rockmusik aus den 70er und 80er, Hard Rock und Metal sowie über Southern Rock und Blues in gemütlicher und netter Atmosphäre.

Dieses kostenlose Musikforum hat ausschließlich privaten Charakter und keinerlei kommerzielle Absichten.
Der Inhalt dieser Website ist urheberrechtlich geschützt.

Es wird darauf hingewiesen, dass es ausdrücklich nicht gestattet ist, copyright geschütztes Material, Bilder, Texte, Musik usw. in diesem Forum zu posten und/oder zu verbreiten. Beiträge, welche dagegen verstossen, werden sofort gelöscht.

Sollte jemand der Annahme sein und glaubhaft machen können, dass irgendwelche Beiträge gegen die guten Sitten, Gesetze oder Copyright verstossen, bitte eine Email an michelle@home-of-rock.de. Dieser Beitrag wird dann umgehend gelöscht.

Inhalt des Onlineangebotes

Der Autor übernimmt keinerlei Gewähr für die Aktualität, Korrektheit, Vollständigkeit oder Qualität der bereitgestellten Informationen. Haftungsansprüche gegen den Autor, welche sich auf Schäden materieller oder ideeller Art beziehen, die durch die Nutzung oder Nichtnutzung der dargebotenen Informationen bzw. durch die Nutzung fehlerhafter und unvollständiger Informationen verursacht wurden sind grundsätzlich ausgeschlossen, sofern seitens des Autors kein nachweislich vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verschulden vorliegt. Alle Angebote sind freibleibend und unverbindlich. Der Autor behält es sich ausdrücklich vor, Teile der Seiten oder das gesamte Angebot ohne gesonderte Ankündigung zu verändern, zu ergänzen, zu löschen oder die Veröffentlichung zeitweise oder endgültig einzustellen.

Verweise und Links

Bei direkten oder indirekten Verweisen auf fremde Internetseiten ("Hyperlinks" oder auch "Links" genannt), die außerhalb des Verantwortungsbereiches des Autors liegen, würde eine Haftungsverpflichtung ausschließlich in dem Fall in Kraft treten, in dem der Autor von den Inhalten Kenntnis hat und es ihm technisch möglich und zumutbar wäre, die Nutzung im Falle rechtswidriger Inhalte zu verhindern. Der Autor erklärt daher ausdrücklich, dass zum Zeitpunkt der Linksetzung die entsprechenden verlinkten Seiten frei von illegalen Inhalten waren. Der Autor hat keinerlei Einfluss auf die aktuelle und zukünftige Gestaltung und auf die Inhalte der gelinkten/verknüpften Seiten. Deshalb distanziert er sich hiermit ausdrücklich von allen Inhalten aller gelinkten / verknüpften Seiten, die nach der Linksetzung verändert wurden. Diese Feststellung gilt für alle innerhalb des eigenen Internetangebotes gesetzten Links und Verweise sowie für Fremdeinträge in vom Autor eingerichteten Gästebüchern, Diskussionsforen und Mailinglisten. Für illegale, fehlerhafte oder unvollständige Inhalte und insbesondere für Schäden, die aus der Nutzung oder Nichtnutzung solcherart dargebotener Informationen entstehen, haftet allein der Anbieter der Seite, auf welche verwiesen wurde, nicht derjenige, der über Links auf die jeweilige Veröffentlichung lediglich verweist.

Urheber- und Kennzeichenrecht

Der Autor ist bestrebt, in allen Publikationen die Urheberrechte der verwendeten Grafiken, Tondokumente, Videosequenzen und Texte zu beachten, von ihm selbst erstellte Grafiken, Tondokumente, Videosequenzen und Texte zu nutzen oder auf lizenzfreie Grafiken, Tondokumente, Videosequenzen und Texte zurückzugreifen. Alle innerhalb des Internetangebotes genannten und ggf. durch Dritte geschützten Marken- und Warenzeichen unterliegen uneingeschränkt den Bestimmungen des jeweils gültigen Kennzeichenrechts und den Besitzrechten der jeweiligen eingetragenen Eigentümer. Allein aufgrund der bloßen Nennung ist nicht der Schluß zu ziehen, dass Markenzeichen nicht durch Rechte Dritter geschützt sind! Das Copyright für veröffentlichte, vom Autor selbst erstellte Objekte bleibt allein beim Autor der Seiten. Eine Vervielfältigung oder Verwendung solcher Grafiken, Tondokumente, Videosequenzen und Texte in anderen elektronischen oder gedruckten Publikationen ist ohne ausdrückliche Zustimmung des Autors nicht gestattet.

Rechtswirksamkeit dieses Haftungsausschlusses

Dieser Haftungsausschluss ist als Teil des Internetangebotes zu betrachten, von dem aus auf diese Seite verwiesen wurde. Sofern Teile oder einzelne Formulierungen dieses Textes der geltenden Rechtslage nicht, nicht mehr oder nicht vollständig entsprechen sollten, bleiben die übrigen Teile des Dokumentes in ihrem Inhalt und ihrer Gültigkeit davon unberührt.






Mitglied im German Rock e.V.



Unsere Partnerforen:



Unsere Moderatoren/Administratoren arbeiten redaktionell mit folgenden Online-Radio-Magazinen zusammen:

Bilder Upload

Das Einstellen von Auszügen oder ganzen Artikeln/Bildergalerien der genannten Magazine erfolgt
mit ausdrücklicher Genehmigung der jeweiligen Betreiber/Redaktionen!!!



Linkpartner:



Xobor Forum Software © Xobor
Datenschutz